"Zyklonale Westlage"

Der Jahresverlauf der Witterung in Mitteleuropa besteht aus einer Folge typischer Wettersituationen, den "Großwetterlagen". Diese ergeben sich aus weiträumigen Luftdruckverteilungen und den daraus resultierenden Strömungsmustern der beteiligten Luftmassen in Bodennähe sowie auch in den darüber liegenden Luftschichten. Das Wetter selbst wird außerdem durch die Eigenschaften der in die Zirkulation einbezogenen Luftmassen dominiert. Es kann während der Andauer einer Großwetterlage an einzelnen Orten innerhalb des betrachteten Gebietes durchaus wechseln, der allgemeine Witterungscharakter bleibt jedoch erhalten.

Derzeit hat sich eine solche "zyklonale Westlage" (wissenschaftliche Abkürzung Wz) eingestellt, wobei "zyklonal" für "tiefdruckdominiert" steht. Zwischen hohem Luftdruck im Bereich der Azoren sowie des Mittelmeeres und niedrigem Luftdruck über dem Nordatlantik und Europa verläuft in der mittleren und höheren Troposphäre über dem Kontinent eine recht straffe, westliche Höhenströmung. Im korrespondierenden Bodendruckfeld liegt die ?Frontalzone? so ziemlich genau über Deutschland.

Mit kräftigen westlichen Winden wird im Winterhalbjahr einerseits milde Atlantikluft herangeführt, so dass aktuell sogar zweistellige Tageshöchsttemperaturen erwartet werden. In die Strömung eingelagerte Tiefausläufer bringen zeit- und gebietsweise Niederschläge, die andererseits auf deren Rückseiten, in der südwärts vordringenden Kaltluft, z.T. bis in tiefere Lagen als Schneeschauer niedergehen können. Zyklonale Westwetterlagen sind typisch für das Klima Mitteleuropas. Im Gegensatz zur für uns beständigeren, "antizyklonalen" Variante verläuft die Frontalzone, also der Übergangsbereich zwischen polaren und subtropisch geprägten Luftmassen, weiter südlich.

Besonders im Winterhalbjahr verschärfen sich durch die unmittelbare Nachbarschaft von (ursprünglich subtropischen) Warmluftmassen im Süden und (ursprünglich subpolaren) Kaltluftmassen im Norden die Luftdruckgegensätze über dem nordatlantisch-europäischen Raum und nicht selten kommt es dabei zur Entwicklung von Sturmzyklonen. Bereits in der vergangenen Nacht entstand an der Frontalzone westlich der Britischen Inseln aus einer zunächst unscheinbaren, flachen Wellenstörung mittels ?rapider Zyklogenese? das recht schnell laufende, wenig umfängliche aber höchst wetterwirksame Sturmtief THOMAS. Am heutigen Donnerstag früh noch mit seinem Kern über Nordirland, wird uns THOMAS im Verlaufe des Abends und der kommenden Nacht überqueren, um bereits ab Freitagmittag als z.T. aufgefülltes und dann eher unbedeutendes Randtief von einer weiteren Zyklone (STEFAN) über Skandinavien ?eingefangen? und marginalisiert zu werden.

Zuvor jedoch wird sich THOMAS über Mitteleuropa austoben und auch Deutschland heimsuchen. In der zweiten Tageshälfte bis Freitagfrüh muss in einem Areal zwischen Ostfriesland und der
Mittelgebirgsschwelle im Westen Deutschlands sowie ostwärts über Mitteldeutschland hinweg bis in den Berliner Raum verbreitet mit schweren Sturmböen (Windgeschwindigkeiten bis 100 km/h oder Windstärke 10 Bft) gerechnet werden. Im Zusammenhang mit Schauern oder einzelnen Gewittern und vor allem auch in den Abendstunden können örtlich orkanartige Böen (um 110 km/h, Bft 11) und in exponierten Kamm- und Gipfellagen des Berglandes auch Orkanböen (um 120 km/h bzw. 12 Bft) mit von der Partie sein. Außerdem tritt gebietsweise markanter Dauerregen auf, der in den östlichen Mittelgebirgen im Zusammenwirken mit den milden Temperaturen zu intensivem Tauwetter führt, das im Oberharz Unwettercharakter aufweisen kann.

Unter http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2017/02/23.html finden Sie im oberen Teil der Abbildung eine mit Daten des gestrigen 12:00-UTC-Laufes des deutschen Vorhersagemodells ICON erstellte Bodenwetterkarte (Prognosekarte) für Donnerstag, den 23.02.2017, 12:00 UTC. Darunter gibt es für denselben Termin eine auf dem heutigen 00:00-UTC-Lauf basierende Vorhersage des Windfeldes nach Geschwindigkeit und Richtung. Dabei stellt die Legende unten links eine Skala der Windgeschwindigkeiten in Knoten dar (engl. Einheitenzeichen [kt], 1 kt = 1 sm/h = 1,852 km/h), die Windpfeile zeigen Windrichtung und Windgeschwindigkeit (Fiedern) an den Modellgitterpunkten. Kurz vor dem Übergreifen des Sturmfeldes auf den Kontinent konzentrieren sich die höchsten Windgeschwindigkeiten auf die Region südlich und südwestlich des Tiefzentrums mit einem Kerndruck von weniger als 980 hPa.

Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.02.2017

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