Der Golfstrom - die schwächelnde Heizung Europas?

1513 entdeckte der spanische Seefahrer Juan Ponce de Leon vor der Küste Floridas eine starke oberflächennahe südliche Meeresströmung, die seinen Schiffen das Vorwärtskommen nach Westen erheblich erschwerte. Als Golfstrom wird in der Öffentlichkeit das Strömungssystem des Ozeans bezeichnet, das vom Golf von Mexiko nordostwärts und als Nordatlantikstrom schließlich bis an die Küste Norwegens reicht. Ihm haben Teile Europas ihr außerordentlich mildes Klima zu verdanken. Der Golfstrom ist entlang der US-Ostküste nur etwa 100 km breit und seine Strömungsgeschwindigkeit liegt bei nur 6 km/h. Östlich von Neufundland geht er in den sogenannten Nordatlantikstrom über, der sich in zwei Äste teilt. Der nördliche Ast zeigt in Richtung Nordmeer und greift mit einer Randströmung bis in die Nordsee aus. Der südliche Ast weist zu den Kanaren.

Auf seinem Weg nach Norden transportiert der Golfstrom normalerweise erhebliche Mengen warmen Wassers aus subtropischen Breiten Richtung Westeuropa. In der Karibik ist das Wasser durchschnittlich bis zu 30 °C warm, am Nordende des Golfstroms vor Neufundland immerhin noch 20 °C. Dort trifft er auf den kalten Labradorstrom und verliert dadurch an Kraft. Die Wassertemperaturen sind jedoch auch vor Irland über das ganze Jahr hinweg noch so warm, dass dort im Küstenbereich Palmen gedeihen können.

Indirekt angetrieben wird der Golfstrom als warme Oberflächenströmung hauptsächlich durch den Wind. Der Nordostpassat vor Afrika treibt das warme Oberflächenwasser von der afrikanischen Küste weg nach Westen in Richtung Karibik. Mit Hilfe der Corioliskraft (Rechtsablenkung von bewegten Gegenständen und Flüssigkeiten auf der Nordhalbkugel durch die Erdrotation) wird das Wasser nordwestlich in den Golf von Mexiko gepresst. Die dort aufgestauten Wassermassen suchen sich einen Ausweg durch die enge Straße von Florida nach Norden, wo sie aufgrund der Westwinde in den mittleren Breiten wieder nach Osten gelenkt werden.

Als ein weiterer Antriebsmechanismus gilt zudem die Anbindung an das globale Förderband der Ozeanströmungen (Thermohaline Zirkulation). Das Strömungssystem des Nordatlantiks ist allerdings nur ein Teil des globalen Förderbandes, welches in einem System von Oberflächen- und Tiefenströmungen Unmengen von Wasser durch vier Ozeane transportiert. Der Grund für dieses weltumspannende Strömungssystem liegt in den Dichteunterschieden der verschiedenen Wassermassen. Auf seinem Weg durch Tropen und Subtropen verdunstet durch die Sonneneinstrahlung sehr viel Wasser, wodurch sich dort der Salzgehalt und die Dichte erhöhen. Als Nordatlantikstrom erwärmt das Wasser in höheren Breiten die Luft der unteren Atmosphäre und kühlt dadurch stark ab, was eine weitere Dichteerhöhung mit sich bringt. Diese wird schließlich durch Meereisbildung zusätzlich erhöht, was dazu führt, dass zwischen Grönland, Norwegen und Island sowie in der Neufundland-See riesige Wassermassen in die Tiefe sinken. An der Oberfläche muss entsprechend Wasser nachfließen. Weitere Informationen können Sie auch der Graphik 1 entnehmen.

Neuste Forschungsstudien über den Golfstrom widmen sich dem Einfluss und der Veränderung genau dieser sogenannten "Thermohalinen Zirkulation". Im Focus steht dabei der Salzgehalt im Zusammenspiel mit der Temperatur. Die Dichte des Oberflächenwassers wird durch die Temperatur und den Salzgehalt bestimmt. Wärmeres und salzärmeres Wasser ist leichter als kaltes und salzreiches Wasser.

Allgemein haben, wie bereits erwähnt, zwei wesentliche Effekte einen Einfluss auf die Salzkonzentration im Nordatlantik. Zum einen die Meereisbildung, die durch das Gefrieren des Wassers den Salzgehalt erhöht und somit das Wasser leichter macht. Wenn das Wasser in Zukunft also leichter wird, lässt das Absinken und somit die Pumpwirkung des "Thermohalinen Förderbandes" nach und hört vielleicht irgendwann ganz auf. Wann und wo dies geschieht kann jedoch niemand sagen. Laut Prof. S. Rahmstorf (PIK) ist es eine Art Risikoabschätzung. "Man kann das vergleichen mit dem, was Ingenieure machen, die das Risiko einschätzen, dass es einen Kernenergieunfall gibt."

Der andere Effekt beschreibt, wie durch die Westwinde vom Südatlantik zunehmend sehr salziges Wasser in den Kreislauf des Golfstroms strömt. Durch eine Temperaturerhöhung und das Schmelzen des Polar- und Grönlandeises wird das Wasser im Nordatlantik süßer und wärmer, also auch leichter. Doch was passiert, wenn das Gleichgewicht gestört wird? Auch Prof. A. Biastoch (GEOMAR) stellt sich diese Frage: "Wir bringen mehr Süßwasser von Norden ins System - das führt zu weniger Salz - und wir bringen gleichzeitig mehr Salz aus dem Süden ins System. Die Frage ist jetzt: Welcher Effekt gewinnt?" Diese Frage kann derzeit kein Modell beantworten. Nach Herrn Biastoch ist nur klar, dass das System Woche für Woche, Monat für Monat Schwankungen unterworfen ist. "Man kann natürlich jetzt sagen, man muss einfach noch 20 Jahre mehr messen und dann werden wir es schon sehen, aber so viel Zeit haben wir natürlich nicht." Auch Prof. S. Rahmtorf sieht es in seinem Beitrag für den MDR ähnlich: "Diese Unsicherheit bedeutet auch, dass es deutlich rascher oder schlimmer kommen kann, als erwartet. Die Vorhersage der aktuellen Studie ist, dass die Temperaturen bis um drei Grad in Europa sinken würden, wenn der Golfstrom zum Stehen käme. Besonders betroffen wären Frankreich, Irland, Großbritannien und Skandinavien."

Derzeit herrschen im Golf von Mexiko moderate Wassertemperaturen zwischen 18 und 25 Grad. In der Straße von Florida werden dagegen schon höhere Temperaturen von 24 bis 28 Grad registriert. Auf dem Weg nach Norden und Osten sinkt die Temperatur jedoch wieder deutlich ab. Vor Neufundland werden zwischen 2 Grad in küstennahen Regionen und bis 20 Grad auf dem Atlantik erreicht. Vor Irland und den Britischen Inseln sind es dann noch 8 bis 12 Grad. (vgl. Graphik 2). Gerade vor der Ostküste Amerikas sowie Neufundlands weist die Wassertemperatur Anfang Februar eine deutlich positive Abweichung auf, während sie im Golf von Mexiko oder vor den Britischen Inseln um den vieljährigen Mittelwert schwankt (vgl. Graphik 3).

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.02.2017

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