Als die Welt unscharf wurde

Es soll um eine andere bedeutende Persönlichkeit gehen, die ebenfalls am 05.12.1901 das Licht der Welt erblickte und einige Jahre später das Tor in eine neue Welt (oder besser gesagt in eine neue Physik) aufgestoßen hat: Werner Heisenberg.
Der deutsche Wissenschaftler zählt zu den bedeutendsten Physikern des 20. Jahrhunderts, begründete er doch die Quantenmechanik, einen der Eckpfeiler der modernen Physik, und stellte damit das seit Isaac Newton dominierende mechanistische Weltbild der Physik auf den Kopf.

Im zarten Alter von 26 Jahren wurde das "Wunderkind" bereits Professor an der Universität Leipzig. Doch auch seine Genialität bewahrte ihn nicht vor einer weit verbreiteten "Alltagsplage": Er litt unter Heuschnupfen, was die Physik und damit die Welt - kaum zu glauben, aber wahr - revolutionieren sollte. Denn um seine Pollenallergie auszukurieren, reiste er nach Helgoland, wo ihm schließlich der große Geniestreich gelang: Die Entdeckung der Quantenphysik, ohne die es heute keine Mikrochips und keine Computer geben würde, aber auch keine Atomkraftwerke und Atombomben.

Eine wichtige Theorie der Quantenphysik ist beispielsweise die sog. "Heisenbergsche Unschärferelation", von manchen auch als der "heilige Gral der Physik" bezeichnet. Im Prinzip besagt sie, dass Orte und Geschwindigkeiten kleinster Teilchen nicht beliebig genau zu bestimmen sind. D.h., je genauer der Ort eines Teilchens bekannt ist, desto weniger weiß man über seine Geschwindigkeit und umgekehrt. Die Unschärferelation scheint nahezu die quantentheoretische Version des Sich-Verirrens zu sein: Entweder weiß man, wo man ist, aber nicht, wohin man geht, oder man weiß, wohin man geht, aber nicht, wo man ist.

Doch die Unschärferelation von Heisenberg hat noch viel tiefgründigere Bedeutungen, die sich allesamt unserer Vorstellungskraft entziehen. Denn in der Quantenwelt (die den Mikrokosmos beschreibt, also die Welt der Moleküle und Atome) gelten andere Gesetze als in der Welt, die wir "direkt" wahrnehmen. Schlussfolgerungen, dass kleinste Teilchen sich an zwei Orten gleichzeitig befinden können oder dass man als Beobachter einzig durch seine Beobachtung die Wirklichkeit verändern kann, klingen paradox und schon so mancher Physikstudent ist an der Quantentheorie verzweifelt.

Die Quantenwelt lässt deterministische Folgerungen (bedeutet: Ereignisse sind durch Vorbedingungen eindeutig festgelegt) nicht zu, und somit sind Zustände in der Zukunft nur bedingt vorhersagbar - und damit wäre auch die Brücke zur Meteorologie geschlagen (puh...), denn auch in der Wettervorhersage gibt es (trotz modernster Supercomputer) eine Grenze der Vorhersagbarkeit.
Der Grund dafür liegt darin, dass unsere Atmosphäre ein sog. "chaotisches System" ist, ein Begriff, den viele Leser sicherlich schon einmal gehört oder gelesen haben, dessen ausführliche Beschreibung allerdings ein eigenes Thema des Tages füllt. Nur so viel: Winzige Unterschiede in den Anfangsbedingungen können zu völlig unterschiedlichen Entwicklungen führen ("Schmetterlingseffekt").

Und wenn Ihnen nun vor lauter Unschärfe und Chaos der Kopf raucht, möchte ich Sie mit den (irgendwie beruhigenden) Worten von Richard Feynman entlassen, der einst sagte: "Wer glaubt, die Quantentheorie verstanden zu haben, der hat sie nicht verstanden"...!

Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.12.2016

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