Precipitable water

Zugegeben, um den Ausdruck "precipitable water" einigermaßen flüssig und fehlerfrei aussprechen zu können, bedarf es schon einer gewissen Übung. Für uns Meteorologen stellen diese zwei Wörter aber eine entscheidende Größe dar, da sie - so auch die deutsche Übersetzung - das ausfällbare Niederschlagswasser in der Atmosphäre beschreiben.

Das ist insbesondere während der konvektiven Saison - also vor allem im Sommer - von großer Bedeutung, da sich damit das Potenzial für Starkregen abschätzen lässt und, wenn nötig, entsprechend quantifizierte Warnungen ausgegeben werden können.

Unter "precipitable water" (ppw) versteht man die in der Atmosphäre enthaltene Menge Wasserdampf in einer Luftsäule, die vom Boden bis zum Oberrand der Troposphäre (in unseren Breiten liegt dieser in ca. 10 km Höhe) reicht. Für die Luftsäule muss man sich am Boden einen Würfel mit einer Kantenlänge von einem Meter vorstellen und diesen 10000-mal übereinanderstapeln. Beträgt das ppw vor Ort 30 mm, so befinden sich in dieser Luftsäule 30 Liter Wasser, die dann, wenn sie vollständig ausregnen und nicht abfließen würden, am Boden (dessen Grundfläche ja 1 m² groß ist) 30 mm hoch stehen. Man kann das ppw daher sowohl in Millimetern als auch in Litern pro Quadratmeter angeben. Aufgrund der Dichte von Wasser ist die Angabe in kg/m² ebenfalls synonym möglich, da ein Liter Wasser ein Kilogramm wiegt.

Bei arktischen Luftmassen im Winter sind die ppw-Werte sehr niedrig, oft liegen sie bei nur 5 mm oder sogar darunter. Dagegen können die Werte bei subtropischer Meeresluft, die im Sommer zu uns vordringt, 40 mm durchaus überschreiten.

Für den heutigen Samstag liegen die ppw-Werte in Deutschland zwischen rund 20 mm in Südschleswig und über 30 mm im Südwesten, wie auch die Grafik auf http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/5/28.html zeigt. Entsprechend hohe Niederschlagsmengen, die dann auch bis in den Unwetterbereich (mehr als 25 mm pro Stunde) reichen können, sind also bei der derzeitigen Wetterlage möglich.

Man muss zusätzlich einkalkulieren, dass bei Gewittern die Niederschlagsmengen noch höher sein können, als rein über das ppw angegeben wird. Zurückzuführen ist das auf die mit Gewittern verbundene bodennahe Konvergenz, bei der feuchte Luft aus der Umgebung zusammenströmt, zum Aufsteigen gezwungen und somit in das Gewitter geführt wird. Zudem muss auch die Zuggeschwindigkeit von Schauer- und Gewitterzellen berücksichtigt werden, da stehende oder sich nur langsam verlagernde Zellen am selben Ort viel mehr Niederschlag bringen als schnell ziehende.

Hohe ppw-Werte müssen nicht unbedingt großen Hagel bedeuten. Im Gegenteil: Je höher das ppw, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Hagel kleinkörnig ausfällt. Das liegt darin begründet, dass zu viel Wasser den Aufwind in Gewittern massiv abschwächt, weil die Schwerkraft nun wegen der erhöhten Masse an Wasser der aufwärtsgerichteten Vertikalbewegung verstärkt entgegenwirkt.

M.Sc. Met. Stefan Bach
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.05.2016

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